Gegen Wände rennen?

Daniel Heinze über Perspektivwechsel und lohnende Umwege

Eine Karikatur, die ich neulich in einer Zeitschrift gesehen habe: ein Typ steht vor einer Wand. So dicht dran, dass seine Hände und sein Kopf die Wand berühren. In seinem Blickfeld sieht dieser Mensch also nichts als bröckelnden Putz und Ziegelsteine. Da ist kein Durchkommen. Schluss, Aus, Ende.

Als Betrachter der Szene sehe ich, was der Kerl gerade nicht sehen kann: Würde er nur drei, vier Schritte von der Wand zurücktreten, würde er bemerken, dass die ach so große Barriere nur wenige Meter breit ist! Ein paar Schritte nach links oder rechts und er könnte problemlos an dem Hindernis vorbeigehen. Freie Sicht, freie Bahn – das Problem wäre gelöst.

Mir passiert das immer wieder. Und vermutlich bin ich damit nicht allein. Ich bin viel zu nah dran an einer Sache, einem Problem. Ich renne gegen Wände, halte etwas für alternativlos, sehe keinen Ausweg. Ja, dann bin ich der Typ aus der Karikatur und berühre mit der Nasenspitze schon die Steinmauer. Ich will mir zurufen: Geh ein paar Schritte zurück! Dann schau nochmal genau hin!

Denn mitunter offenbart sich schon durch einen kleinen Perspektivwechsel ein neuer Weg, den ich vorher gar nicht mehr sehen konnte. Ein paar zusätzliche Schritte sind dann vielleicht nötig. Aber die wären es wert, um das eben noch für unüberwindbar gehaltene Hindernis zu umgehen und eben nicht gegen Wände zu rennen.

Daniel Heinze, kath. Kirchenredakteur bei Radio PSR

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